Medienmitteilung

Pressekonferenz: Donnerstag, 1. September, 10.30 Uhr

Vernissage: Sonntag, 4. September, 11.30 Uhr

Begrüssung: Markus Landert, Direktor Kunstmuseum Thurgau
Einführung: Stefanie Hoch, Kuratorin
Filmpremiere, anschliessend Gespräch mit Javier Téllez

Das Kunstmuseum Thurgau lud den Künstler Javier Téllez ein, einen Film zu realisieren, weil er gesellschaftliche Vorstellungen von psychischen Veränderungen auf aussergewöhnlich poetische Weise befragt: Er arbeitet bei seinen Projekten sehr oft mit Menschen mit Psychiatrieerfahrung. Seine Filme konnte der Venezolaner, der heute in New York lebt, bereits auf der Biennale Venedig und der documenta zeigen. Im Thurgau verknüpfte er lokale Begebenheiten mit Weltgeschichte zu einem Netz, das er mit seiner Crew aus dem Offenen Atelier Kreuzlingen und dem Musiker Johannes Ötzbrugger gleichsam auf dem Bodensee auswarf.

“Das Narrenschiff”, der Film einer magischen Reise, wird ab 4. September 2022 im Kunstmuseum Thurgau in Form einer Ausstellung präsentiert.

Alle Pressebilder:
Javier Téllez, “Das Narrenschiff”, 2022. Digitalfilm. Auftrag und Koproduktion: Kunstmuseum Thurgau. Filmstill: Courtesy of the artist

Als Kind zweier Psychiater wuchs Javier Téllez (*1969 Valencia, Venezuela) zwischen Behandlungszimmern und Bücherstapeln auf. Heute lebt er als Künstler in New York und entwickelt gemeinsam mit Menschen mit Psychiatrieerfahrung Filme, die unter anderem auf der Biennale Venedig und der documenta in Kassel liefen. Sie befragen gesellschaftliche Vorstellungen von Psychiatrie und psychischen Veränderungen auf aussergewöhnliche, poetische Weise.

Vom Kunstmuseum Thurgau eingeladen, vor Ort einen Film zu realisieren, verknüpfte Javier Téllez lokale Begebenheiten mit Weltgeschichte zu einem Netz, das er gleichsam auf dem Bodensee auswarf: Knotenpunkt ist der Besuch des heute berühmten Philosophen Michel Foucault 1954 in der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen, wo er Ludwig Binswanger wegen des Vorworts für dessen Aufsatz “Traum und Existenz” traf. Foucault war beeindruckt vom dortigen Fasnachtstreiben, was ein Anstoss zur Auseinandersetzung mit Masken und dem Motiv des “Narrenschiffs” war, das Foucault im Buch “Wahnsinn und Gesellschaft” (1961) ausführlich behandelt. Diese Schrift ist ein Meilenstein der Psychiatriegeschichte, weil sie verdeutlicht, wie sich der Blick der Gesellschaft auf Menschen mit psychischen Auffälligkeiten geformt und seit dem Mittelalter verfestigt hat. Eine wichtige Rolle in Foucaults Ausführungen spielt dabei die Moralsatire “Das Narrenschiff” des Baslers Sebastian Brant. 1494 erstmals gedruckt, wurde sie in ganz Europa gelesen und inspirierte vermutlich Hieronymus Bosch zum gleichnamigen Gemälde.

Aus diesen vielfältigen Quellen schöpfend gestaltete Javier Tellez zusammen mit einer vielköpfigen Filmcrew eine heutige Vision des Motivs des Narrenschiffs. Gemeinsam mit Menschen mit Psychiatrieerfahrung wurden Texte über Wahnsinn und Gesellschaft formuliert. Ihre berührenden Betrachtungen über Sein, Schein und den Zustand der Welt vertonte die Gruppe unter Anleitung des Musikers Johannes Ötzbrugger, der Worte und Gesang mit der Laute begleitete – und die Darsteller auf ihrer magischen Reise über den Bodensee. 
Auch die Ausstattung wurde in einem gemeinsamen Prozess erarbeitet. Zusammen mit der Kunsttherapeutin Lenka Roth und der renommierten Schwyzer Maskenbauerin Verena Steiger entstanden im Offenen Atelier Kreuzlingen Masken in traditioneller Wachstechnik, angeregt von Fotos der Münsterlinger Fasnacht. Aus einem Theaterfundus wurden historische Kostüme beschafft, und der Nachbau einer mittelalterlichen Lädine diente als Hauptbühne für die Filmaufnahme.

Geschichte und Malerei, Musik und Masken wurden zu den Startkoordinaten für eine traumgleiche Fahrt ins Ungewisse. Vieles bleibt beim poetisch erzählenden Film offen: Nimmt das Schiff Kurs auf “Narragonien” oder entflieht es der Welt, in der Normalität und Wahnsinn zunehmend verschwimmen? Das Boot auf dem Wasser ist nicht nur Sinnbild für den Zustand der heutigen Welt, sondern zugleich Klang- und Resonanzkörper für die vielen Ichs, mit denen der moderne Mensch unterwegs ist und die ihn über Wasser halten.

“Das Narrenschiff” – ein Film von Javier Téllez in Zusammenarbeit mit:
Vanessa Bach, Agathe Bellwald, Werner Brandenberger, Cocó Cespedes, Irene Fischbacher, Niklaus Garbini, Brigitta Grüter, Ilona Horn, Nadine Iseli, Astrid Rast Mota Campos, Birgit Semle, Maja Vogel, Gregor Wick.
Musik interpretiert von Johannes Ötzbrugger und Nadine Iseli.

Javier Téllez, “Das Narrenschiff”, 2022. Digitalfilm. Ca. 19 Minuten.
Auftrag und Koproduktion: Kunstmuseum Thurgau. Videostills. Courtesy of the artist. 

Veranstaltungen im Rahmen der Ausstellung:

Mittwoch, 7. September 2022, 17.15 bis 18.30 Uhr
Einführung für Lehrpersonen und Interessierte in die Ausstellung “Javier Téllez – Das Narrenschiff”

Donnerstag, 26. Januar 2023, 19 Uhr
Im Maschinenraum der Kunst
Ein Making-of mit der Filmcrew des “Narrenschiffs”. 
Musik an Bord von Johannes Ötzbrugger

Dienstag, 21. März 2023, 19 Uhr
Vom Spiel zwischen Kunst und Therapie
Vortrag von Kuratorin Stefanie Hoch

Dienstag, 20. Juni 2023, 19 Uhr
“Das Narrenschiff” legt ab.
 Ein Symbol im Wandel der Zeiten.
Mit Museumsdirektor Markus Landert, Kulturvermittlerin Sabine Münzenmaier und Kuratorin Stefanie Hoch

 

Wir danken für die Unterstützung:
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an: 
cornelia.mechler@tg.ch

Kartause Ittingen – Kunst und Geschichte erleben

Das Ittinger Museum und das Kunstmuseum Thurgau bilden den Kern des Seminar- und Kulturzentrums Kartause Ittingen. Im idyllisch gelegenen ehemaligen Kloster bei Frauenfeld lebten während Jahrhunderten Mönchsgemeinschaften. 1977 wurde die weitläufige Anlage durch die eigens gegründete privatrechtliche Stiftung Kartause Ittingen erworben, restauriert und mit der Unterstützung von Partnern einer neuen Nutzung zugeführt. Das Betriebskonzept orientiert sich an den klösterlichen Werten Gastfreundschaft, Spiritualität, Selbstversorgung, Fürsorge und Kultur.

Weitere Informationen finden Sie unter www.kunstmuseum.tg.ch

 

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