Die Ausstellungseröffnung der fantastischen Bilderschau bei GALERIE & EINRAHMUNGEN in Überlingen ist sehr gut besucht… es ist die Ausstellung des Jahres in der gesamten Region, wie eine Besucherin anerkennend meinte. Thomas Warndorf hält, wie immer bei Galeristin Heike Schumacher, die Laudatio… Er beginnt mit der Beschreibung eines Fotos des weltweit berühmten, einzigartig kreativen Künstlerpaares:

“Es ist ein Foto aus dem Jahr 1977. Ein Mann erklimmt eine steile Düne in der Wüste. Man fühlt die Hitze, man erkennt, er will nach oben, egal wie schwierig es ist. Hinter ihm klettert eine Frau. Sie hält den Abstand, den es braucht, um den Mann aufzufangen, falls er fällt. Ein Bild aus dem Leben des Künstlerpaares Christo und Jeanne-Claude, als sie in der Wüste ein Projekt planen. Er lässt sich nicht vom Weg abbringen, immer nach oben. So verstand sich dieser Mann, der richtig Christo Vladimirov Javacheck hieß und am gleichen Tag geboren wurde wie seine Frau Jeanne-Claude Marie Denat, am 13. Juni 1935. Er in Bulgarien, sie in Marokko. Sie war seine Stütze, seine Muse, seine Buchhaltung, sein Büro…. Christo fing klein an, sehr klein. 1958 kam er nach Paris, malte Portraits, Auftragsarbeiten, nicht seine Welt. Drei Jahre später lernte er Jeanne-Claude kennen. Die sah Merkwürdiges, einen Künstler, der gar nicht gern Geld mit Malerei ver- dienen wollte. Sondern lieber Gegenstände verpackte, sie durch das Verpacken unsichtbar zu machen und dennoch den Raum zu umfüllen, daran werkelte er.

Die beiden zogen zusammen und da ihre Wohnung nahe am Arc de Triomphe lag, fing er an, ein Modell davon zu bauen und zu experimentieren, wie man das große Vorbild einpacken könnte. Dieses Vorhaben brauchte schließlich sein ganzes Leben, um umgesetzt zu werden. Egal, in welchem Preissegment man einsteigt, der Qualitätsanspruch gilt durchgängig. Alle Graphiken besitzen einen Entwurfs-Charakter, sind als sorgfältig kompo- nierte Skizzen zu verstehen. Die Blätter leben aber auch von Christos herausragendem Können. Er gilt als einer der besten Graphiker der Gegenwart…”

Beitragsbild: © Wolfgang Volz, Tuttlingen


Galeristin Heike Schumacher in ihrem grünen Refugium nach gelungener Ausstellungseröffnung

Historiker Thomas Warndorf während der Laudatio

Eine interessierte Besucherin vor ihrem Lieblingsbild

Heike Schumacher vor einem der Christo-Bildmotive

Ralf Bittner, Partner der Galeristin und vielseitiger Künstler mit einem der Stammgäste



Zwei begeisterte Christo-Fans, die das hochwertige Kunstangebot in der Galerie Schumacher besonders schätzen…

Thomas Warndorf mit seinem Bruder und seiner Schwägerin

Diese beiden sympathischen Helfer waren für den Ausschank zuständig


GALERIE & EINRAHMUNGENHEIKE SCHUMACHER • HOCHBILDSTRASSE 22A • 88662 ÜBERLINGEN
Fon 07551/972 866 • Di-Fr 9.00-12.30 und 15:30-18.00 Uhr, Sa 10.00-13.00 Uhr
www.galerie-ueberlingen.de

Anbei der ungekürzte Text der Laudatio von Thomas Warndorf, Vernissage-Fotos: © Roswitha Bosch, TV3

Galerie & Einrahmungen Heike Schumacher Überlingen
Samstag, 25. Juni 2022
Christo & Jeanne-Claude. Werk(e) eines Künstlerpaares.
Prints, Fotos und Collagen auf Papier.

Es ist ein Foto aus dem Jahr 1977. Ein Mann erklimmt eine steile Düne in der Wüste. Man fühlt die Hitze, man erkennt, er will nach oben, egal wie schwierig es ist. Hinter ihm klettert eine Frau nach oben. Sie hält den Abstand, den es braucht, um den Mann aufzufangen, falls er ausrutscht oder fällt.
Ein Bild aus dem vollen Leben des Künstlerpaares Christo und Jeanne-Claude, als sie in der Wüste ein Projekt planen. Er lässt sich nicht vom Weg abbringen, zwei Schritte voraus, einen zurück und wieder zwei vor und immer nach oben. So verstand sich dieser Mann, der richtig Christo Vladimirov Javacheck hieß und am gleichen Tag geboren wurde wie seine Frau Jeanne-Claude Marie Denat, am 13. Juni 1935. Er in Bulgarien, sie in Marokko. Sie war seine Stütze, seine Muse, seine Buchhaltung, sein Büro., Kaum ein Projekt der beiden wäre gelungen, wenn nicht jeder den Part übernommen hätte, von dem er etwas verstand. Er ein überzeugter Anhänger sozialistischer Glaubenssätze. Sie eine Kapitalistin, die an die Macht des Marktes glaubte. Vereint in einer unglaublichen Hartnäckigkeit: was wir uns vornehmen, kann gelingen. Aber nur unter einer Voraussetzung: Er ist fest davon überzeugt, dass er sich zur Umsetzung seiner Ideen keinem Sponsor ausliefert, keine Förderung annimmt. Sie ist fest davon überzeugt, dass alles finanzierbar ist, allein durch die Graphiken, die jedes Projekt begleiten. Das bekam so mancher zu spüren, der sich im Ruhm des Paares sonnen wollte, darunter ein amerikanischer Investor, der den beiden 50 Millionen Dollar zahlen wollte, um ein komplettes Projekt nach Abschluss der Show zu kaufen, um es selbst zu besitzen. 50 Millionen Dollar für das Projekt „the Gates“ im Centralpark in New York. (Nr. 31 und 32). Der Mann erhielt eine Abfuhr. Christo sagte: „Ich würde auch für 100 Millionen nicht verkaufen“. Investiert hatten sie 21 Millionen Dollar. Und ein anderer, Präsident Donald Trump, wollte den beiden Gelände, das dem Staat gehörte, im Jahr 2017 für das Projekt „Over the Arkansas River“ (hier Nr. 2) verkaufen oder wenigstens vermieten. Im gleichen Moment war die Planung beendet. Das war kein Problem, denn irgendein Vorhaben in unterschiedlich fortgeschrittenem Stadium gab es immer, gesteuert von New York, wo die beiden seit 1964 lebten und arbeiteten. Andererseits, sie hatten bis dahin in „Over the Arkansas River“ 20 Jahre Planungszeit und rund 15 Millionen Dollar investiert.

Christo fing klein an, sehr klein. 1958 kam er nach Paris, malte Portraits, Auftragsarbeiten, nicht seine Welt. Drei Jahre später lernte er Jeanne-Claude kennen. Die sah Merkwürdiges, einen Künstler, der gar nicht gern Geld mit Malerei verdienen wollte. Sondern lieber Gegengestände verpackte. Dosen, Flaschen, Stühle, Autos, der Gegenstand interessierte nicht so sehr. Ihn gleichzeitig durch das Verpacken unsichtbar zu machen und dennoch den Raum zu umfüllen, den der Gegenstand einnahm, daran werkelte er. Die beiden zogen zusammen und da ihre Wohnung nahe am Arc de Triomphe lag, fing er an, ein Modell davon zu bauen und zu experimentieren, wie man das große Vorbild einpacken könnte. Dieses Vorhaben brauchte schließlich sein ganzes Leben, um umgesetzt zu werden.

Als Christo in einem Interview zum Leben des Paares in Paris befragt wurde, sagte er: „Ich war der schlechteste Künstler der Welt, weil ein Kunstkritiker sagte, dass ich gute Zeichnungen herstellte, aber trotzdem so dummes Zeug wie Verpackungen mache“ (1). Tatsächlich hatte ihm die französische Kunstzeitschrift „Connoisseur“ den Titel des schlechtesten Künstlers der Welt verliehen – und im Nachhinein kann man sagen, entweder

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trug die Zeitschrift ihren Titel zu Unrecht, übersetzt heißt „Connoisseur“ nämlich Kenner, gemeint Kunstkenner. Oder aber Christo interessierte sich nicht dafür, wie man das Werk des Paares beurteilte.

Ein kleines frühes Verhüllungs-Projekt war 1961 „Wrapped Volkswagen“. Zuvor hatten sie es mit einer Harley Davidson versucht, mit mäßigem Erfolg. Mit einem Volkswagen, den jeder Amerikaner als Beetle kannte, war das schon anders. Es folgten Verhüllungen eines Studebaker und auch einer Vespa. Studebaker hier unter der Nr. 29, die Vespa unter Nr. 23 und Wrapped Volkswagen unter der der Nr. 30. Von da an war klar: es gab und gibt keine Graphik ohne dazugehöriges Projekt wie umgekehrt kein Projekt ohne Graphik. Das ist ein einmaliges Konzept, das dem graphischen Werk der beiden einen völlig anderen Stellenwert verschafft als bei anderen Künstlern, die den graphischen Anteil ihres Werks im allerbesten Fall als Ergänzung für den Verkauf sahen, eines ihrer Unikate als Vorbild für eine Graphik nahmen und sich ein Zusatzeinkommen verschafften.
Wenn man sich die Verkaufsliste der Graphiken dieser Ausstellung betrachtet, fallen die unterschiedlichen Techniken auf. Es gibt die Graphiken in verschiedenen Zuständen und Editionen von der hochklassigen Fotographie in sehr niedriger Auflage (z. B. Nr. 1) oder Siebdrucke, Lithografien, Prints wie 16, 20 oder 21. Es gibt Pigmentdrucke, ein hochwertiges Druckverfahren mit Tintenstrahldrucker, bei dem absolut keine Rasterung zu erkennen ist, als Beispiel Nr. 19. Weiter oben angesiedelt stehen die Mischtechniken aus Collage und Graphik. Letzteres kann Siebdruck sein oder Lithografie. Diese Editionen haben niedrige Auflagen (z. B. die Nr. 15 oder die Nr. 30). Die Collagen sind etwas ganz Eigenes. Für die Collage von „Wrapped Volkswagen“ wurde eine Zeichnung des Autos ausgeschnitten, anschließend die Form von Hand mit Stoff überarbeitet und mittels Fäden so überspannt, dass der 3-dimensionale Eindruck einer Verhüllung entsteht. Kleines Detail: manchmal sind die Fäden oder die Collage getackert. Die Collagen lassen auch einen kleinen Schattenrand sichtbar, sind eben reine Handarbeit. Es sind weitere Lineaturen sichtbar, Überhöhungen mit weißem Stift, es gibt kurze Fotostrecken zur Graphik zu sehen, manchmal von Hand eingeklebt. Typisch ist die horizontale Linie am unteren Blattrand, manchmal am oberen Bildrand mit ergänzenden Hinweisen zum Projekt. Dort findet sich auch die Auflagenhöhe und die Signatur. Und dann kommen noch die Unikate, also Handzeichnungen, die es nur als einzelnes Exemplar gibt, also sehr selten. So erklären sich die Preisunterschiede für die Editionen. Übrigens ist die Signatur nicht auf die höheren Preisbereiche beschränkt. Es gibt Offsetdrucke, die im Druck signiert sind und zusätzlich nachträglich eine Originalsignatur erhalten haben. Die Auflagenhöhe wird meist arabisch gezählt, hier immer der Fall außer der Nr. 24, die römisch gezählt wird. Das waren zumeist Sondereditionen. Es finden sich weitere Angaben, bei 22, 23 und 30 A.P. A.P. bedeutet „Artist Print“, eigentlich nicht für den Verkauf gedacht, aber unter Umständen hochwertiger, weil sie vor dem eigentlichen Druckbeginn entstanden. Auch zu älteren Projekten folgten im Lauf der folgenden Jahre immer wieder neue Editionsvarianten.

Aber egal, in welchem Preissegment man bei Christo &Jeanne-Claude einsteigt, der Qualitätsanspruch gilt durchgängig. Alle Graphiken besitzen eines Entwurfs-Charakter, sind als sorgfältig komponierte Skizzen zu verstehen, man könnte von „Mood-Boards“ sprechen, der gesammelten Visualisierung von Ideen. Die Blätter leben aber auch von Christos herausragendem Können als Graphiker. Er gilt zu Recht als einer der besten Zeichner der Gegenwart. Seine akademische Ausbildung ist unübersehbar. Eine wichtige Rolle im Team spielte der deutsche Fotograf Wolfgang Volz, 1948 in Tuttlingen geboren. Er war autorisiert, die Projekte schon im Entwicklungsstadium mit der Kamera zu begleiten. So finden sich seine Fotos auch in originalen Ausschnitten, nachgearbeitet, übermalt oder kopiert, in

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Grafiken eingearbeitet oder als eigenständige, vom ihm signierte; Vollansichten wie bei 1, 26 oder 27.
„Wrapped Volkswagen“ als Projekt ebenso wie als Graphik, enthielt schon alle Ideen, Überlegungen und Vorgaben, die Christo und Jeanne-Claude dann immer weiter verfeinerten und die schließlich genauso für die Verhüllung des Reichstages oder des Arc de Triomphe galten. Christo generalisiert das Gesamtwerk des Paares so: „Das Wichtigste ist die visuelle Erfahrung, eine Feier des Raums und der Menschen im Raum. In all meinen Arbeiten geht es um das Erlebnis des Raums. Deshalb sind wir mit unserer Kunst aus dem Atelier hinausgegangen. Wir mieten öffentlichen Raum und erobern ihn für die Kunst“ (2).
Raum erlebbar zu machen, indem man ihn verschwinden lässt, zugleich Volumen sichtbar in seine Umgebung einzuordnen, das wollten die beiden. Flächen zu verbergen, indem man sie überdeckt. Ob die Fläche fester Boden ist oder das Wasser eines Sees, blieb eine Frage der Technik, des Materials, der Organisation. Menschen verhüllte Christo auch. Aus dem Jahr 1968 stammt das Projekt „Wrapped Woman“, welches ein gutes Beispiel liefert, wie die beiden ihre Kunst verstanden: Als Perfomance, als zeitlich beschränkte Inszenierung, als grandioses Theater im öffentlichen Raum. Das Verpacken oder Verhüllen, das Verlegen von Planen dauerte oft Monate, schon dieser Akt lockte die Besucher an. Das Auspacken und wieder sichtbar machen des Verhüllten nicht weniger. Die Rückkehr in die Realität, der Eindruck, verpackt war es aber viel schöner, all das war Teil des Konzepts der beiden, sie spielten damit, 1968 bei „Wrapped Woman“ im Institute of Contemporary Art war der Verhüllungsakt so wichtig wie die Enthüllung. Auch von diesem Projekt gibt es Graphiken.

Die Performance, die Inszenierung, das Gesamtkunstwerk aus Planung, Umsetzung, Enthüllung und Graphikverkauf forderte nicht nur Hartnäckigkeit, sondern noch mehr Geduld. 1976 war ein rund 5 Meter hoher, aus weißem Tuch gespannter Zaun quer durch Kalifornien fertig. „Running Fence“ war 40 Kilometer lang, dreieineinhalb Jahre wurde mit staatlichen Stellen und privaten Grundstücksbesitzern diskutiert und gestritten, drei Gerichte befassten sich mit allen denkbaren Fragen bis hin zum Umweltschutz. 3 Millionen Dollar kostete das Projekt, es war noch lange nicht das Teuerste. Das Projekt, in Paris die Brücke “Pont Neuf“ zu verhüllen, gilt bis heute aus ästhetischer Sicht als eines der schönsten. Obwohl groß, wirkte es nicht gigantisch, eher zart und von eindrucksvoller Schönheit, wenn die Schatten über das Gewebe wanderten und sich jeder und jede, die das sahen, wünschten, es würde immer so bleiben. Ein goldener Sandstein sei das, und nichts sage mehr aus über Paris als diese Erscheinung, sagte die Kritik. „Pont Neuf“, das waren im Jahr 1985 41.000 Quadratmeter Polyamidgewebe, 13.000 Meter Seil und 21,1 Tonnen Stahlketten. Man konnte auf dem Gewebe laufen, die Brücke überqueren Zu diesem Projekt gehört hier in der Galerie die Nummer 11.

Der Aufwand für „Wrapped Reichstag“ 1995 war nicht geringer, aber bei keinem anderen Projekt musste sich das Paar mit den Kunstexperten der deutschen Parteien- und Verwaltungslandschaft so herumplagen (3). Auch eine Kunst, selbsternannten Kunstkennern den schieren Durchsetzungswillen entgegenzusetzen! In unterschiedlicher Technik erinnern die Nummern 4, 5, 10, 16, 20 und 21 an dieses Projekt.
Nach dem Tod von Jeanne-Claude 2009 machte Christo allein weiter. Seine „Verpackungswut“, wie ein Kritiker es nannte, hatte ihn eine Idee nicht loswerden lassen, Menschen über das Wasser gehen zu lassen, eine Straße vom Festland einfach auf der Wasserfläche weiterzuführen, so als gäbe es diese Grenze nicht. „Floating Piers“ auf dem Lago d’Iseo verband den Uferort Sulzano mit dem Ort Monte Isola und der Insel San Paolo.

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16 Tage lang, im Juni/Juli 2016, kamen über eine Million Besucher, die das sehen und erleben wollten. Christo, erstmals ohne seine Jeanne-Claude, war der Verzweiflung nahe. Er fühlte sich überfordert, die Organisation funktionierte nicht. Man hatte keinen Eintritt erhoben, die Ortsverwaltung war unfähig, man hatte in der Werbung für Busreisen geworben, aber vergessen, dass solche Busse Parkplätze brauchen. Schließlich wurde der Zugang zeitweise gesperrt, weil die Bahnen, auf schwimmende Kunststofftonnen moniert, angesichts der Menschenmassen zu sinken drohten. Christo hatte Angst. Seine Jeanne-Claude, die das alles gewiss im Griff gehabt hätte, fehlte. Und Christo war nicht der Menschenkenner, den es gebraucht hätte, um für diese Performance die richtigen Mitstreiter zu haben. Es gibt zum Projekt einen sehenswerten Film (4). Man sieht Christo schimpfen und streiten, auf seinem Willen beharrend, man erlebt die Gefahr des Scheiterns. Aber man erlebt eben auch die gelben Bahnen über blauem Wasser, das Glück der Menschen, dabei zu sein und so etwas Unglaubliches gesehen zu haben. Wolfgang Volz ist es mit seinen Fotos zum Projekt „Floating piers“, gelungen, diese fröhliche Farbigkeit einzufangen, hier mit den Nummern 1, 26 und 27.

Auch Christo war schließlich zufrieden. Einmal sieht man ihn, nachdem die Stege gesperrt wurden, wie er nachdenklich darüber läuft und vielleicht merkt, dass Jeanne-Claude ihm noch mehr bedeutet hatte als die Kunst. Sie war nicht seine Ergänzung. Sie war Teil seines Selbst. Und umgekehrt galt das Gleiche. So erweisen sich schließlich auch die Graphiken als unteilbares Werk der beiden.

Ganz am Ende stand das Projekt „Arc de Triomphe, Wrapped“. 1961 hatte er begonnen, sich damit auseinanderzusetzen. 2020 war es soweit. Christo war an den Vorbereitungen beteiligt, aber dann starb er im Juni des gleichen Jahres. Den fertig verhüllten Bogen, ein Jahr später 2021, sah er nicht mehr. Dafür sonnten sich Herr Macron und die Bürgermeisterin Hidalgo im Ruhm des verstorbenen Paares mit allem Populismus, der in der Politik leicht zum Blühen gebracht werden kann. Sowieso dann, wenn es um das heiligste Bauwerk Frankreichs geht, den Arc de Triomphe. So enttarnten Christo & Jeanne-Claude im Nachhinein auch ein eher verborgenes Prinzip: Sie verkauften sich nie an die Politik und blieben frei. Aber die Politik verkaufte sich an das Paar, um am Erfolg mitzusaugen. Anhand der Graphiken 8, 9, 18, 19 und 25 ist aber nachvollziehbar, dass man sich dem Anblick des Trumpfbogens nun wirklich nicht entziehen konnte.

In einem Interview gab Christo einen prägenden Gedanken für die Kunst des Paares preis: „Jeanne Claude und ich, wir machen diese Dinge für uns selbst. Wenn es jemand mag, ist es nur ein Bonus. Wir machen Dinge, die uns visuell gefallen. Diese Projekte bringen uns an Orte, die so viel reicher sind als die Kunstwelt oder die Galerie oder das Museum. Wir können mit vielen verschiedenen Menschen arbeiten. Es ist ein Abenteuer und sehr aufregend und sehr töricht“ (5). Wie Jeanne-Claude auf diese Aussage reagiert hätte, weiß ich nicht. Vielleicht: Was redest Du da Christo? Ein graphisches Blatt von uns zu besitzen, ist sehr aufregend, aber niemals töricht. Dieses Mal hat sie recht.
Ich danke Ihnen

Samstag, 25. Juni 2022, Thomas Warndorf

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Anmerkungen
• „Christo und Jeanne-Claude: Richtig verpackt wird alles zu Kunst“. In: www.stern.de/kultur/buecher/christo-und-jeanne-claude 2020

• „Christo und Jeanne-Claude – Werke entdecken“ In: www.arsmundi.de/kuenstler/christo/

• vgl. Plenarprotokoll 12/211 des Deutschen Bundestages vom 25. Februar 1994. Zu finden bei https://w3/willy-brandt-forum.com
(4) „Christo. Walking on Water“. DVD 2019
(5) „Verhüllungskünstler Christo ist tot“. In:
www.oe1.orf.at/artikel/673231/Verhuellungskuenstler-Christo-ist-tot. 2020

Zusätzliche Infos
www.christojeanneclaude.net/
Sehr lesenswert:
Interview von Elfriede Jelinek mit Christo und Jeanne-Claude 1995 anlässlich der Verhüllung des Berliner Reichstagsgebäudes. In: www.elfriedejelinek.com/andremuller/interview mit christo und jeanne-claude.

 

 

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